Die Schließung des Flughafen Tegels liegt jetzt schon 2 Monate zurück und eigentlich wollte ich schon längst diesem Blogbeitrag veröffentlicht haben, aber es kam doch anders. Nun hab ich die Zeit gefunden, einige Worte zu verfassen und nochmal meine Gedanken zum Thema zu sammeln.
Bevor ich nach Köpenick gezogen bin, lebte ich fast 15 Jahre im Bezirk Prenzlauer Berg. Als Kind stand ich oft auf unseren Balkon oder am Fenster und beobachtete die Flugzeuge am Himmel. Zwar lag die Anflugroute nicht direkt über unser Dach aber weit entfernt war sie nicht, sodass alle anfliegenden Maschien laut und deutlich zu hören und auch zu sehen waren. Mich faszinierte immer, wie dicht die Maschinen wenige Straßenzeilen weiter, über die Gebäude flogen. Tegel ist und war auch im Ostteil der Stadt sehr präsent, besonders meine Pankower Freunde hatte darunter sehr zu leiden. Sie alle freuten sich über die baldige Schließung, auch nachdem die Eröffnung des BER so oft verschoben wurden, zählten sie die Tage bis der TXL vom Netz ging. Versteht mich nicht falsch, ich war nie Feind des Flughafens, sondern viel mehr Freund.
Vom Flughafen Tegel ging mein erster Flug in meinem Leben, damals in einer Boeing 737-300 der Germania Airlines. Für mich als kleiner 10 Jähriger ein großes Ereignis. Ich kann mich nicht daran erinnern vom welchen Terminal es los ging, vielmehr nur an den miserablen Zustand der Maschine. Der Flug ging damals nach Düsseldorf, knapp eine Stunde Flug. Dies war auch nur die erste Etappe, denn ab Düsseldorf ging es weiter mit der LTU in einer McDonnell Douglas MD11 nach Orlando. Beide Airlines, Germania sowie die LTU, sind heute längst Geschichte, die Zeit überdauerte nur der Flughafen Tegel.
Tegel blieb danach immer mein Start- und Zielflughafen, sei es mit der AirBerlin nach Gran Canaria oder Stockholm, Germanwings nach London, Swiss nach Zürich und viele mehr. Häufig ging es auf Flügen mit Air Berlin, vom verhassten Terminal C, dem dauerhaften Provisiorium der meist nur von AB genutzt wurde. Nur wenige Flüge erlebte ich vom Hauptterminal mit seinen markanten, orangen Gangways – das Terminal schien aus der Zeit gefallen zu sein. Irgendwie modern aber in den 70er Jahren hängen geblieben. Knallende Farben aus Rot und Orange, trafen auf brachiales Grau der Betonwände. Die Bauform des Hauptterminals versprach kurze Wege, meist war das aber eher Illusion – alles dauerte gefühlt ewig und wenn es doch wieder nur vom Terminal C ging, war es auch schon vorbei mit den kurzen Wegen.
Die Liebe zu diesem Flughafen war meist auch nur eine Illusion, diese zeigten sich in den negativen Bewertungen auf einschlägigen Plattformen – doch der Berliner hängte an diesem Airport und besonders bei den vielen Planespottern. Von der Terrasse hatte man einen großartigen Blick auf das Vorfeld und die Startbahnen, aber auch von den Zäunen konnte man einen guten Blick auf alle ankommenden sowie abfliegenden Flugzeugen erhaschen. Für viele Stadtbewohner, sowie aber auch allen Gästen aus dem Umland, war Tegel ein Sehnsuchtsort und versprach Urlaub und Erholung. Obwohl Berlin zeitweise 3 Flughäfen besaß, gingen die meisten internationalen Flüge nicht von hier – ein Umsteigen in Frankfurt, London Heathrow oder Amsterdam Schiphol war erforderlich. Dieser Makel wurde nicht nur einmal kritisiert – Berlin, die Hauptstadt Deutschlands war im Vergleich zu den genannten Airports absolute Provinz.
Eine der wenigen Airlines die etwas Internationalität versprach, war bis 2017 Air Berlin. Tegel war IHR Drehkreuz, von hier ging es unter anderem bis nach Chicago und dank der Luftfahrtallianz “OneWorld”, gab es weitere Ziele mit Partner-Airlines. 2017 war mit der Insolvenz von AB Schluss und am Terminal C, war fortan EasyJet anzutreffen – von weiß-roten Fliegern zu weiß-orange.
Nun 3 Jahre später, mit der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafen Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“, kurz BER, ging auch die Ära von Tegel zu Ende. Ein Anlass zum Feiern, doch die Corona-Pandemie schob einen Riegel vor. Am 07. sowie 08. November 2020 waren die letzten beiden Betriebstage die in kleinen Rahmen gefeiert wurden. Zahlreiche Veranstalter boten nochmal einige Rundflüge an, unter anderem die Lufthansa sowie Black Forest Aviation mit einer gecharterten Sundair-Maschine im Air Berlin Look. Für einen Tag, kehrte eine rot-weiße Maschine zum Terminal C zurück und auch ich nutzte die Chance für einen unvergesslichen Abschiedsflug.
Mein letzter Flug von und nach TXL
Einige Wochen im Vorraus buchte ich ein Ticket über die Black Forest Aviation, die eher bekannt ist, für den Verkauf von Insolvenz-Produkten unter anderem auch von Air Berlin und Germania. Viele Plätze und Abflüge waren schon lange ausgebucht, mir blieb nur noch ein Abflug um 11 Uhr aber immerhin gab es noch Fensterplätze.
Gegen 7:50 Uhr am 07. November, nahm ich die S-Bahn von Köpenick und fuhr in Richtung Hauptbahnhof. Von dort fuhr die Buslinie “TXL” die auch ihr Abschied feierte. Mit der Schließung des Flughafens, wurde die Linie nicht mehr gebraucht. An diesem Samstag waren die Straßen absolut leer und tatsächlich war dies meine entspannteste Fahrt im TXL. Meist dominierten lange Staus die Fahrt und das mulmige Gefühl des “Verpassen des Fluges” stellte sich ein – diesmal nicht.
Pünktlich am Flughafen war ich doch sehr erstaunt wie ruhig es hier war. Kaum ein Mensch verirrte sich an diesem Morgen zum Flughafen. Überwiegend waren es tatsächlich Passagiere und wenige Planespotters. Dieses Bild sollte sich tagsüber noch ändern.
Ein letztes Mal Terminal C
Ich überquerte zielgesteuert die lange Fußgängerbrücke zum Terminal C. Ein zweckmäßiger Bau der meine Worte des “Provinzflughafens” unterstreichte. Dieses Bild änderte sich auch nicht beim Anblick des Zweckbaus des Terminals. Doch es gab ein Unterschied zur aktiven Zeit: es wirkte hier noch trostloser. Sämtliche Ladengeschäfte hatten das Terminal schon verlassen. Dort wo sie einst standen, waren nur noch verfärbte Stellen, viel Dreck und Absperrbänder. Erstaunlich für die Corona-Zeit, an Passagieren mangelte es an diesem Tag nicht. 70 Flüge sollten den Flughafen verlassen oder ankommen.
Am Check-In angekommen, begrüßte mich eine sehr freundliche Dame von der Bodencrew. Sie checkte mein Etix und Personalausweis und übergab mir ein Lebkuchenherz, ein Air Berlin Tütchen mit einem Feuchttuch und ein schlichtes Boarding-Ticket. Schnell ging es durch die Sicherheitskontrolle und nun stand ich in der Abflughalle. Voll hier, dachte ich und der Unterschied zu damals: alle trugen Masken und hielten so gut es geht Abstand. Hier gab es tatsächlich noch eine offene Gastronomie. Einer der wenigen Orte in ganz Berlin, wo man sich noch hinsetzen und ein überteuerten Snack oder Getränk genießen konnte. Wenige Tage vorher ging der Lockdown-Lite los, der alle Gastronomen dazu zwang, zu schließen (einzig der Außer-Haus Verkauf).
Boarding beginnt
Nach 45 Minuten im Erinnerungen schwelgen, hier und da einige Detailaufnahmen fotografiert, ging das Board auch schon los. Direkt am vorderen Ausgang stand die Maschine mit dem typischen rot-weißen Anstrich und dem Kennzeichen D-ASGK bereit. Die Sonne funkelte direkt hinter dem Tower hervor und tauchte alles in eine wunderbare, herbstliche Stimmung – mit absolut klarer Luft. Hier steht er nun, der A320 in der perfekten Fotoposition. Schnell noch ein paar Erinenrungsfotos aufgenommen und rein in die Maschine, Platz 22L, direkt am Fenster.
Mindestens die Hälfte der Fluggäste bestand aus ehemaligen Air Berlinern, an Board herrschte eine ausgelassene, muntere Stimmung. Mein Sitznachbar war auch ein Air Berliner und erzählte mir direkt einige Geschichten aus seiner aktiven Zeit. Unser Pilot – natürlich auch ein alter Air Berliner, begrüßte uns an Board und schon ging es los. Langsam rollten wir an der Besucherterrasse vorbei und zur Startbahn – die Triebwerke heulten auf und wir wurden in den Sitz gedrückt, das hat mir echt gefehlt. Corona hat uns fest im Griff, an fliegen war in den vergangenen Monaten nicht zu denken. Es ging hoch auf etwa 3000 Meter.
Blick über Berlin
Was für ein Ausblick! Nach dem Überflug über Berlin, verzogen sich die ersten morgendlichen Wolkenschleier und der Blick wurde frei: Der Müggelsee war im Sichtfeld und die Altstadt Köpenick. Das erste Ziel war der Scheinanflug auf den neuen Flughafen BER. Im Tiefflug (400 Meter) und Flügelwinken ging es über die Piste und den Terminal wieder in Richtung Müggelsee. Ja hier in der Luft sind die Wege echt kurz, Berlin wirkt winzig. Mit einer sanfte Kurve lag unter uns die Müggelspree und es ging in Richtung Pankow zum Endanflug auf TXL. Der Flug war kurz – 30-40 Minuten waren angesetzt. Unsere Stewardess setzt für eine Abschiedsrede an, man merkte das Wackeln und die Traurigkeit in Ihrer Stimme, sie benötigte zwei Anläufe um ihre Rede zu beginnen. Ein schönes Gedicht zum Abschied von Tegel und auch ein weiteres mal von Air Berlin, die Airline war zu sehr mit diesem Flughafen verwurzelt. Tegel war die zweite Heimat, der Hauptarbeitgeber für viele Generationen.
Ein letztes mal im tiefen Endanflug über Falkensee, hier werden sicherlich wenige den Flughafen vermissen, zu dicht ging es über die Häuser. Die letzten hundert Meter machen den Landeanflug schon immer zu etwas besonderes. Man kann ihn so beschreiben: Häuser, Häuser, Häuser, Fluß, Häuser, Fluß, Bäume, Bäume, Zaun, Landebahn – alles in wenigen Metern Höhe – wenn dann eine steife Brise weht, ist es besonders spektakulär.
Beim Verlassen der Piste, begrüßte uns unsere Stewardess erneut auf dem Flughafen und es ging Richtung Parkpostion. Anscheinend war aber das Bodenpersonal zu überfordert mit unseren kurzen Flug denn es war niemanden da und wir warteten und warteten, unser Pilot machte schon witze darüber bis irgendwann von allen Seiten die Follow-Me Wagen herbei eilten.
Und da wären wir wieder beim Thema “Provinzflughafen”. Per Hand wurden die Treppen von einem einzelnen Mitarbeiter herangeschoben, im Flugzeug wurde schon gewitzelt, nach Feierabend schiebt er die Treppe über die A100 zum BER. So war eben Tegel.
Abschied vom Alten…
Zurück im Terminal C ging es gerade wegs raus zum Hauptterminal. Inzwischen ist es voll geworden, gefühlt jeder Berliner will sich von “seinem” Flughafen verabschieden. Auch ich erkundete ein letztes Mal die Hallen, spazierte durch die Passage und hielt alles was geht mit meiner Kamera fest.
Tschüß Tegel, du treuer Freund.
… Begrüßung des Neuen
Mit dem TXL ging es für mich nun zum Hauptbahnhof. Mein Ziel, der neue Flughafen “BER”. Vom Hauptbahnhof probierte ich direkt die neue Zugverbindung “FEX” aus. Innerhalb von 30 Minuten ging es vom Stadtzentrum raus ins “Grüne”. Den BER kenne ich schon sehr gut von der Testphase. Ich war der Dieb, der nicht geschnappt wurde^^ Das war eine der Aufgaben für die Bundespolizei.
Modern aber nicht neu.
Ich möchte gar nicht zu viel in der Vergangenheit vom Flughafen kramen. Ich bin froh das er endlich am Start ist, endlich ein zeitgemäßer, moderner Flughafen für unsere schöne Stadt auch wenn er eben nicht so modern ist wie erhofft. Ein Großteil der Technik ist von vorgestern aber als Fluggast bekommt man davon nur am Rande mit. Ich mag die Architektur und die Farbwahl, für mich wirkt der BER einladend aber dennoch sehr seriös.
Trotz der heftigen Corona-Einschränkungen war der Abschied vom Flughafen Tegel und der Neubeginn des BER absolut gelungen.